Reisner, Sonja: Die Bibliothek des Johannes Roland - Ein Beitrag zur Erforschung frühzeitlicher Privatbibliotheken
Vorrangiges Ziel dieser Arbeit war die Rekonstruktion und Erforschung der Privatbibliothek eines frühneuzeitlichen Arztes, die sich in der Bibliothek des Wiener Dominikanerkonvents erhalten hat. Johannes Roland, ihr ursprünglicher Besitzer, lebte an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, in einer Zeit, die sowohl historisch-politisch, als auch gesellschaftlich, wissenschaftlich und religiös eine Epoche des Umbruchs war. Dies spiegelt sich auch in seiner Büchersammlung wider.
Johannes Roland wurde um 1564 im schlesischen Schweidnitz geboren, wuchs in einer protestantisch dominierten Umgebung auf, studierte in Wien, Padua und einigen anderen italienischen Städten Medizin, promovierte 1591 an der Universität von Padua und wirkte von da an als sog. Viertelmedicus im Dienst der Landstände von Niederösterreich - zunächst in Mistelbach und ab 1596 in Wiener Neustadt, wo er im Jahr 1618 verstarb.
Vor allem dank seiner Exlibris-Vermerke war es möglich, seine Bücher als ehemals zusammengehöriges Corpus innerhalb der Konventsbibliothek zu erkennen und wieder zusammenzuführen. Die Untersuchung der Exlibris-Vermerke weiterer Besitzer ergab, daß die Rolandsche Büchersammlung zunächst an Adam Olitorius (um 1586-1637) überging, der 1613 Rolands Tochter Catharina geheiratet hatte und ebenfalls Mediziner war, und danach an dessen Söhne Johann Wilhelm (geb. 1631) und Georg Albert (1632-1700).
Letztere waren aber weder leibliche Enkel Rolands noch Mediziner: Sie entstammten der zweiten Ehe des Adam Olitorius mit einer gewissen Anna Maria (geb. Sidenitschin von Seydenberg) und ergriffen beide die geistliche Laufbahn. Georg Albert trat 1648 in das Stift Klosterneuburg ein, sein älterer Bruder wurde 1656 Novize im Wiener Predigerkloster. Johann Wilhelm (Ordensname: Dominicus) brachte die 168 Bände (= 304 Werke) aus dem Besitz seines „Stiefgroßvaters" an ihren heutigen Aufbewahrungsort.
Die detaillierte Erfassung der an Lese- und Gebrauchsspuren reichen Bücher und umfangreiche ergänzende Archivrecherchen machten es möglich, Einblick in das Leben, die Weltanschauung und die persönlichen Netzwerke ihrer ehemaligen Besitzer zu gewinnen. So ergab sich als entscheidendes Narrativ nicht nur die Geschichte einer frühneuzeitlichen Privatbibliothek, sondern auch das mit dieser eng verknüpfte Schicksal einer Familie durch drei Generationen hindurch.